Wählen ist verkehrt

Erstens, weil das Parlament ein Herrschaftsinstrument ist und sonst gar nichts. Dort werden vor und nach jeder Wahl „die Geschicke der Nation“, wie das so vornehm heißt, unbehelligt vom Volk und schon gleich von irgendeinem „Druck von der Straße“ entschieden. Aufs Volk wird sich berufen bei dem, was feststeht, aber es wird doch nicht gefragt. Es erfährt rechtzeitig, was das Parlament in seinem Namen beschlossen hat und was – „gewählt!“ – deswegen auch in Ordnung zu gehen hat. So einfach ist das.

Zweitens, weil beim Wählen ein einziger Personenkult veranstaltet wird. Wo garantiert nichts mehr von den einzelnen Figuren abhängt, da präsentieren Schröder und Merkel, und wer sonst noch gewählt werden will, sich und ihren Regierungsanspruch, als wenn ohne sie Deutschland verloren wäre. Mit ihrer sympathischen und zupackenden Führungspersönlichkeit aber ist der Wähler auf jeden Fall unbesehen gut bedient. Warum sollten Politiker auch das Argumentieren anfangen, wenn es um das, was sie machen, sowieso nicht geht, sondern darum, wer es am Ende macht. Da zählen eben vor allem anderen sie und ihr politischer Erfolg.

Drittens, weil Wähler entsprechend trostlose Figuren sind. Sie honorieren die muntere Konkurrenz darum, wer sie regieren soll, mit ihrer Stimme für den einen oder anderen und fragen nicht nach den Folgen für ihre Lebensverhältnisse, sondern nach den Mehrheitsverhältnissen. Arbeitslose und Angestellte, Frauen und Studenten, Sozialfälle und Besserverdienende – als Wähler sind sie alle gleich duldsame Menschen, die sich mit ihrem Wahlkreuz nicht ein-, sondern ausmischen. Erst bestätigen sie diejenigen im Amt, die ihnen ihre Umstände bescheren, über die sie sich sonst immer beklagen. Dann denken sie sich ihren Teil dazu.

Von den Wahlen hängt also nichts ab. Im Grunde wissen das alle haargenau. Niemand erwartet sich etwas, sogar den Wahlausgang kennt jeder jetzt schon. Jeder rümpft die Nase – und legt sich lauter Gründe zurecht, mit denen er doch zum Wählen geht. Und wenn nicht, macht es auch nichts. Das Ergebnis ist dasselbe.

WASG/PDS Wählen ist schon gleich verkehrt!

Die neuen „Wahl-Alternativen“ haben aus den ihnen geläufigen Einwänden gegen das Wählen den Schluss gezogen, dass die ohne weiteres hinfällig zu machen sind – und zwar durchs Wählen. Sie treten mit der falschen Behauptung an, es gäbe lauter andere, bessere Gründe fürs Wählen, es bräuchte nur eine weitere Wahlalternative, sie nämlich. Dass sich Wählen doch und trotz alledem lohnt, das will diese Alternative Mitgliedern und Nichtmitgliedern, Linken und Nichtlinken weismachen

Die Wahllüge der WASG/PDS: Deutsche Politik ginge besser

Endlich sind Alternativen wählbar: Wenn es nach ihnen ginge, dann ließen sich alle widerstreitenden Interessen – die nach nationalem Wirtschaftswachstum auf den Konten der Banken und in der Staatskasse, die nach profitablem Produzieren mit billigen Lohnkosten, die nach gesunder Arbeit und Umwelt, nach lohnendem Einkommen und sozialer Sicherheit und nach einem – besseren Leben für die Drittwelt, vereinbar machen. Das ist ihr garantiert unerfüllbares Versprechen, das sie den „unerfüllten Versprechungen“ aus Bonn entgegenstellen. Dabei geben sie damit unfreiwillig zum Besten, wie schäbig die Logik von Fanatikern des Sozialstaats ausfällt: Erst für die „Effektivität“ des vornehm „Marktwirtschaft“ genannten kapitalistischen Geschäftswesens eintreten, dann mit den harten Folgen rechnen, die das mit sich bringt, und lauthals nach sozialer Betreuung durch die politische Gewalt rufen, die sich der Förderung dieses Geschäfts verschrieben hat, und schließlich entrüstet Klage führen, dass diese Betreuung so mager ausfällt. Das ist das Grundmuster der „alternativen sozialen Gerechtigkeit“. Deutschlands gewachsene Macht nach außen wollen sie nicht bestreiten, sondern mit ganz viel Verantwortung für die Besserung der Zustände versehen, die verantwortliche deutsche Politik gerade mitherstellt und aufrechterhält. Ist das die Alternative, die gefehlt hat?

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